(PN) 25.04.2018 – Der Journalist Ahmad Abu Hussein, der bei den Freitagsprotesten am 13. April im Gazastreifen von israelischen Scharfschützen niedergeschossen wurde, ist tot. Das teilte am Nachmittag das Palästinensische Gesundheitsministerium mit. Hussein erlag im Krankenhaus seinen schweren inneren Schussverletzungen. Damit hat Israel in einem Zeitraum von zwei Wochen bereits zwei Journalisten getötet, die im Gazastreifen als Berichterstatter ihrer Arbeit nachgingen.

Vor zwei Wochen hatten die PN über den offensichtlich gezielten Beschuss des Journalisten berichtet:
„… Kurz darauf schossen israelische Soldaten den Journalisten Ahmad Abu Hussein nieder. Ein Video des Vorfalls zeigt, dass sich dieser fernab des Grenzzauns mit seiner Kamera in der Hand zwischen friedlich stehenden Demonstranten befand, als ein gezielter Schuss ihn niederstreckte.
Abu Hussein wurde sofort ins Krankenhaus gebracht und befand sich am Abend noch immer in einem kritischen Zustand.
Wie seinem Kollegen Yaser Murtaja, der vergangene Woche durch israelische Schüsse getötet wurde, erlitt auch Abu Hussein Schussverletzungen im seitlichen Unterleib, wo die schützende Weste mit dem Aufdruck „Presse“ den Körper nicht bedeckte. Erneut kam damit der Verdacht auf, dass der Journalist gezielt von der israelischen Armee niedergeschossen wurde. Ob er die Nacht überlebt, ist ungewiss. Murtaja war am vergangenen Freitag an den Folgen genau einer solchen Schussverletzung in der Nacht gestorben.

Während dem Journalisten Abu Hussein in den Unterleib geschossen wurde, erlitt ein zweiter Journalist, Mohammad Hajjar, eine Schussverletzung in der Schulter. Ein weiterer Journalist berichtete, dass ihn eine Kugel am Kopf gestreift hätte.“ (Bericht vom 13.04.2014)
Die Befürchtung, dass der Journalist die schweren Verletzungen, wie zuvor sein Kollege Murtaja, nicht überleben würde, haben sich bewahrheitet. Heute nachmittag starb er im Krankenhaus in Ramat Gan bei Tel Aviv, wohin er nach anfänglicher Blockade Israels gebracht wurde. Wie schon in anderen Fällen hatte Israel auch bei Hussein zunächst die Ausreise aus Gaza trotz der lebensbedrohlichen Verletzungen verweigert. Erst auf massiven Druck von Nichtregierungsorganisationen erhielt der Schwerverletzte endlich ein Ausreisevisum und konnte ins Spezialkrankenhaus Tel Hashomer in Ramat Gan gebracht werden. Über eine Woche kämpften die Ärzte dort um sein Leben, am Ende ohne Erfolg.
Israel unter Verdacht, gezielt auf Journalisten zu schießen
Mit Ahmad Abu Hussein stirbt zum zweiten Mal in Folge ein palästinensischer Journalist, den israelische Scharfschützen niederschossen. Erneut kommt der Verdacht auf, dass die israelische Armee gezielt auf Berichterstatter im Gazastreifen schießt, um eine kritische Beobachtung zu verhindern. In beiden Fällen, bei Murtaja wie Hussein, trugen die Journalisten blaue Schutzwesten mit dem dicken Aufdruck „PRESSE“. In beiden Fällen schossen die israelischen Scharfschützen ihnen seitlich in den Unterleib, an genau der einzigen Stelle, die von der Weste nicht geschützt wird.
Nach der Erschießung von Murtaja hatte die israelische Armee erklärt, sie schieße nicht gezielt auf Journalisten. Die Tatsache, dass allein an jenem Freitag auf mindestens zehn Journalisten geschossen wurde, ließ die Glaubwürdigkeit dieser Behauptung fraglich erscheinen.

Hinzu kommt, dass sich die israelische Armee auf Twitter mehrfach damit brüstete, genau zu wissen, auf wen man schieße und wo eine Kugel landet. Auch das lässt Zweifel aufkommen, dass Schüsse auf insgesamt zehn Journalisten an einem einzigen Tag Zufall gewesen sein sollen. Zumal der Beschuss am folgenden Freitag weiterging und Ahmad Abu Hussein so schwer verletzte, dass auch er an den Folgen starb.

Wie genau die israelische Armee von ihrer durch aufgeschüttete Sandwälle erhöhten Position aus die Lage hinter dem Grenzzaun einschätzen kann, und wie präzise sie dabei ihr Augenmerk gerade auf Journalisten richtet, zeigte sich erst kürzlich in einem weiteren Tweet des Sprechers der israelischen Armee vom Tag der Erschießung Abu Husseins. Dort wurde auf einem Foto ein anderer Journalist gezeigt, der mit einem Kollegen und weiteren Personen in der Nähe eines Mannes stand, der vom Boden aus versuchte, einen Feuerwerkskörper zu zünden. Der Armeesprecher sprach daraufhin von einem „Terroristen“ und warnte davor, sich in der Nähe solcher Personen aufzuhalten.
Dem Journalisten wurde in weiteren Veröffentlichungen von der israelischen Armee unterstellt, sich bewusst als menschliches Schutzschild für Terroristen herzugeben. Wenig später tauchte ein Video auf, das die Situation von der anderen Seite des Grenzzauns zeigte. Dabei stellte sich heraus, dass der Journalist keineswegs so nah bei dem Mann stand, wie es die extreme Zoom-Aufnahme der israelischen Armee suggerierte. Im übrigen arbeitete der Journalist für die renommierte Nachrichtenagentur AFP und wies die Beschuldigung aufs Schärfste zurück.
Was sich aus dem Foto klar ablesen lässt, ist, mit welcher Präzision die israelischen Scharfschützen von ihrer Position jenseits des Grenzzaunes erfassen, wer ein Journalist ist und wer nicht. Und dass die israelische Armee ganz gezielt ihr Augenmerk auf Journalisten richtet, sie bei ihrer Tätigkeit im Grenzzaunbereich beobachtet und sie offensichtlich generell für Komplizen von Personen hält, die Israel als gewalttätig einstuft. Dass die Journalisten nur ihre Pflicht tun und bei ihrer Arbeit nach geltendem internationalen Recht unbedingten Schutz vor Angriffen genießen, ignoriert Israel.
Journalist Abu Hussein trug Presse-Weste
Das oben gezeigte Video, das die Erschießung des Journalisten Ahmad Abu Hussein zeigt, lässt denn auch große Zweifel aufkommen, dass die israelischen Scharfschützen nicht gewusst haben, auf wen sie da schießen. Abu Hussein war klar durch blaue PRESSE-Weste und blauen Schutzhelm mit gelber Aufschrift TV gekennzeichnet. Er stand ruhig in einer Gruppe von Beobachtern und wurde aus ihrer Mitte heraus von den israelischen Scharfschützen niedergeschossen.

Dann fiel urplötzlich und für alle Beteiligten sichtbar unerwartet der Schuss, der den Journalisten niederstreckte.

Die Abfolge lässt nur zwei denkbare Möglichkeiten des Geschehens zu: Entweder wurde Abu Hussein gezielt niedergeschossen – oder die israelischen Scharfschützen schossen wahllos in die Menge. Etwas, was von Seiten der israelischen Armee seit Beginn der Demonstrationen vehement bestritten wird und auch angesichts der Präzisionsfotos, die die Armee selbst über Twitter verbreitet, fraglich erscheint. Was dann aber nur bleibt, ist der Verdacht, dass Abu Hussein, wie Yaser Murtaja, gezielt getötet wurde. Das deckte sich auch mit der Beobachtung von Journalisten und mit der Präzision, mit der israelische Scharfschützen auf Demonstranten schießen, wie erst letzte Woche ein Video bewies.
382 Angriffe auf Journalisten durch Israel in 2017
Übergriffe auf Journalisten durch die israelische Armee und Grenzpolizei sind nicht neu. So berichteten die PN im Dezember darüber, wie Journalisten in al-Bireh in der Westbank von israelischen Grenzpolizisten getreten und mit Maschinengewehren bedroht wurden. Im Januar zog die palästinensische Nachrichtenagentur WAFA Bilanz und berichtete, dass es 2017 insgesamt 382 Angriffe auf Journalisten durch israelische Einsatzkräfte in den illegal besetzten Gebieten gab. Die Presseverbände in der Westbank und in Gaza beklagen seit Jahren die brutalen Attacken, denen sie bei ihrer Arbeit ausgesetzt sind und forderten erst kürzlich am Rande einer Sitzung des UN Menschenrechtsrats ein sofortiges Ende solcher Angriffe auf Pressevertreter durch Israel.

Auch im Gazastreifen sieht Israel in einer Berichterstattung der Ereignisse offensichtlich eine Gefahr. Bei den Freitagsdemonstrationen haben israelische Scharfschützen in den letzten drei Wochen 42 Palästinenser erschossen – darunter drei Kinder – und über 3.000 Palästinenser zum Teil lebensgefährlich verletzt. Journalisten wie Ahmad Abu Hussein und Yaser Murtaja lieferten mit ihren Fotos und Videoaufnahmen Material, das die Rechtswidrigkeit solcher Schüsse auf unbewaffnete Demonstranten beweisen könnte. Mit der Tötung des nun bereits zweiten Journalisten im Gazastreifen zeigt die israelische Armee, dass sie nicht bereit ist, sich dieser Gefahr auszusetzen.