(PN) 07.06.2018 – Bei einer morgendlichen Razzia in Nabi Saleh in der illegal besetzten Westbank haben israelische Soldaten am Mittwoch den 21jährigen Izz al-Din Tamimi erschossen. Als Grund nannte die Armee, der junge Mann habe Steine geworfen und einen Soldaten damit getroffen. Daraufhin habe man das Feuer eröffnet. Bewohner des Dorfes, die sich seit langem gegen die Besatzung mit Protesten wehren, sprechen dagegen von einer absichtlichen, geplanten Tötung.

Gegen zehn Uhr morgens waren israelische Soldaten in Nabi Saleh eingefallen und hatten wie unzählige Male zuvor mit Durchsuchungsaktionen begonnen. Das Dorf ist bekannt für seinen kontinuierlichen Widerstand gegen die illegale Besatzung und dauerhaft im Visier der israelischen Einsatzkräfte. Von dort stammt die 17jährige Ahed Tamimi, die derzeit eine achtmonatige Haftstrafe absitzt, weil sie einen israelischen Soldaten vor laufender Kamera ohrfeigte. Das Mädchen reagierte wütend, weil man ihrem 15jährigen Cousin Mohammed Tamimi eine Stunde zuvor in den Kopf geschossen hatte.
Die Soldaten wurden Augenzeugen zufolge von Jugendlichen empfangen, die anfingen, Steine zu werfen, um die Besatzungstruppen vom Dorf fernzuhalten. Zunächst reagierte die israelische Armee mit Tränengas und Gummistahlkugeln. Dann aber soll ein Stein einen Soldaten am Kopf getroffen haben, woraufhin dieser anlegte und den jungen Mann aus knapp 45 Meter Entfernung niederschoss. Kugeln trafen ihn im Nacken und in der Brust. Augenzeugen berichten, dass der junge Mann fast 30 Minuten blutend am Boden lag, bis die Soldaten ihn wegschleppten, während sie die erregten Bewohner mit Tränengas abwehrten.
Später erklärte die Armee, dass der junge Mann gestorben sei. Der Leichnam wurde in Ramallah zur Beerdigung an die Familie übergeben. Außerdem erklärte die Armee, dass bei dem Vorfall kein Soldat verletzt wurde, womit die Tötung vollends unbegreiflich ist.
Ebenso wie das Verhalten der israelischen Armee am Nachmittag, als Dutzende von bewaffneten Soldaten und Grenzpolizisten mit gepanzerten Fahrzeugen die Straße des Dorfes sperrten, um die Bewohner daran zu hindern, zur Beerdigung zu gelangen. Dabei schoss ein Grenzpolizist auf die Trauernden und wurde daraufhin von einer Pressevertreterin angeherrscht, ob er verrückt sei, es seien Kinder dabei. „Einen am Tag zu töten, reicht nicht?!“ fragte sie entsetzt.
Israelische Soldaten hatten mit Tötung Tamimis gedroht
Eine Nachbarin und Verwandte, Manal Tamimi, erklärte gegenüber Reportern des israelischen Onlinemagazins +972, dass Izz al-Din Tamimi schon mehrfach beschossen und mit 14 zum ersten Mal von israelischen Soldaten verhaftet wurde. „Er war sehr mutig, war immer der erste bei Protesten. Sie suchten ihn schon seit drei Monaten, und wir wussten die Razzien würden in einer Katastrophe enden.“
Andere Bewohner erzählten dem israelischen Onlinemagazin Mondoweiss, dass israelische Soldaten bereits fünf Mal bei Razzien versucht hätten, Izz al-Din Tamimi zu fangen. Seine Mutter schilderte, dass vor zwei Tagen Soldaten zu ihr gekommen seien und gesagt hätten: „Wir werden deinen Sohn töten und du wirst weinen.“ Ähnliche Drohungen hatten israelische Soldaten auch gegenüber dem Vater des 16jährigen Musa’ab Tamimi geäußert, den sie dann Tage später, am 3. Januar dieses Jahres, in Deir Nidham ebenfalls mit einem Schuss in den Hals töteten.

„Ich glaube, sie töteten ihn mit Absicht“, so Jihad Tamimi, eine palästinensische Journalistin und entfernte Verwandte, die das Geschehen vom Haus aus beobachtet hatte. So viele andere Jungen hätten Steine geworfen, „aber sie haben auf niemanden anderen geschossen, nur auf ihn.“
Ein Video, das im Internet kursiert, zeigt die Szene unmittelbar nach der Erschießung des jungen Mannes. Wenige Schritte entfernt von einer großen Blutlache, sieht man israelische Soldaten über dem regungslosen Izz al-Din Tamimi stehen, während sie wenig engagiert überlegen, den Verletzten auf eine Trage zu heben, von denen er ihnen gefallen zu sein scheint. Der Mann, der filmt, Mohammad Atallah Tamimi, schreit kontinuierlich auf die Soldaten ein, sie mögen den Bewohnern des Dorfes den jungen Mann überlassen, damit sie ihn in ein Krankenhaus zur Behandlung bringen können. Doch die Soldaten gehen nicht darauf ein. „Ihr habt keine Menschlichkeit, wenn ihr einen jungen Menschen tötet!“, ruft Mohammad Tamimi ihnen zu, worauf die Soldaten mit Tränengasbeschuss reagieren. „Er ist noch ein Kind“, schreit Tamimi weiter. „Tötet uns, tötet uns, wenn ihr ihn tötet!“ Auch die anderen Bewohner sind hochgradig erregt über das Verhalten der Soldaten, die augenscheinlich viel Zeit verstreichen ließen, bevor sie den Verletzten abtransportierten.
Einige Zeit, nachdem er von den Soldaten weggebracht wurde, teilte ein Armeesprecher den Tod des jungen Mannes mit.
Izz al-Din Tamimi ist bereits der dritte Bewohner von Nabi Saleh, der in den letzten zehn Jahren von israelischen Soldaten getötet wurde. Darüber hinaus befinden sich derzeit 18 Mitglieder der Tamimi-Familie in israelischen Gefängnissen, darunter sechs Kinder und Jugendliche, wie die 17jährige Ahed, deren Mutter ebenfalls eine achtmonatige Haftstrafe absitzt, weil sie die Ohrfeige, die ihre Tochter austeilte, gefilmt hatte.
Kommentar zur Tötung von Izz al-Din Tamini – war es nicht sogar Mord wegen provozierter Notwehr? –
07.06.2018
… zu den Ereignissen in Nabih Saleh / zur gezielten Tötung des 21-jährigen Izz al-Din Tamini
Dieser Vorgang hat ähnliche menschenrechtsverletzende, kriminelle Qualität wie die gezielten Erschießungen auch völlig Unbewaffneter in Gaza seit Ende März 2018.
Die Armeeführung und zu viele – nicht alle – israelischen Soldaten haben (durch eine Art von Gehirnwäsche?) schon längst die unterste Stufe der Moral von willigen Schergen Ihrer politischen Führung betreten. – Solcherlei geschieht in fast allen diktatorisch geführten Staaten (u.a. Beispiele in Südamerika, … und es war in Nazi-Deutschland nicht anders). –
Aber warum geschieht dies in der doch einzig(artig)en Demokratie des Nahen Ostens?
Ich habe große Sorge, dass die gegenwärtige israelische Führung die Gedemütigten und Verzweifelten, vor allem unter den von ihr besonders gefürchteten, weil mehrheitlich gewaltarmen mutigen Widerständlern (wie z.B. den Tamimis und der Mehrheit der Grenzstreifen-Demonstranten) soweit unter Druck setzen will, bis deren Zorn und die Wut massenhaft explodieren und die Regierung sich somit vor der Weltöffentlichkeit eine provozierte scheinbare “Rechtfertigung“ schafft für eine erneute „kriegerische“, dank ihrer überlegenen Waffentechnik jedoch nahezu einseitige Auseinandersetzung (wie 2014) und für einen noch größeren „Vernichtungsfeldzug“ gegen die Palästinenser. –
Da jeder seit der Beurteilung der Lebensverhältnisse in Gaza durch die UN von deren Unerträglichkeit und Ausweglosigkeit (2020 „voraussichtlich unbewohnbar“) weiß und dennoch die Daumenschrauben weiter angezogen werden, und da v.a. auch weiterhin durch Fortdauer der Besatzung und des nach internationalem Recht illegalen Siedlungswahnsinns im Westjordanland fertige, unumkehrbare Tatsachen geschaffen werden, die eine Zweistaaten-Lösung verunmöglichen, scheint da eine gewisse „Samson-Mentalität“ mitzuwirken.
Solches Verhalten – wie jetzt schon die ständigen, härter werdenden Übergriffe auf palästinensische Dörfer mit massloser Gewalt, auch häufig eingesetzt gegen kleine Kinder und lediglich verbal protestierende Frauen, bei Razzien und auch bei ohne berechtigten Anlass durchgeführten Hausdurchsuchungen und mutwilligen Zerstörungen sowie die auf z.B. reaktives Steinewerfen erfolgenden tödlichen Schüsse – ist nach unserem Rechtsverständnis provozierte und damit strafbare „Notwehr“ („Vorsatzprovokation“) und muss international geächtet werden. – Die Berichte der Soldaten, die in dem neu erschienen Buch „Breaking the sielence“ nachzulesen sind, entlarven die Armeeführung. Sie zeigen, dass man Soldaten (jeder Nation) durch hinreichende Propaganda und an Hirnwäsche grenzende Fehlinformation zu empathiefreien Tötungsmaschinen heranziehen kann.
Aber angesichts eines auf einem politischen Auge blinden deutschen Außenministers und Ex-Justizministers und eines ohnehin im anscheinend rechtsfreien Raum schwebenden US-Präsidenten jagen die Demokratien des Westens der „einzigen Demokratie des Nahen Ostens“ keine Angst ein, zumal letztere von einem längst vor eigene und internationale Gerichte zu stellenden Ministerpräsidenten geführt wird.
Traurige Grüße
Wolfgang Pfannekuch
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Zum Tod der palästinensischen Rettungssanitäterin
Razan al-Najjar in memoriam
I.
Dazu darf die Welt nicht schweigen,
Schweigen wäre hier Verrat!
Was Israelis machen sich zu eigen,
ist Rechtsbruch von spezieller Art.
Besatzer-Pflichten, Menschenrechte, ….
all dies interessiert sie nicht.
Benehmen sich wie Henkersknechte,
denen‘s an Menschlichkeit gebricht.
Schießen auf Menschen wie auf Freiwild,
weil sie halten sich für auserwählt.
Sind zur Versöhnung nicht gewillt. –
„Wir gegen den Rest der Welt!“
Wobei die wahren Mörder bleiben kühl
im Hintergrund und „machen“ Politik.
Ihr Verbrechen folgt teuflischem Kalkül.
Sie schüren vom Schreibtisch und Rednerpult den Krieg!
II.
Wer kann hier noch Frieden stiften? –
Wenn die Einsicht nicht von innen siegt,
wird all‘ dies in Richtung Chaos driften,
wo jeder jedermann bekriegt.
Öffnet die verbohrten Herzen!
Was Andres hilft nicht gegen diesen Wahn!
Auch die fremden Mütter fühlen Schmerzen,
denen Ihr das angetan,
wie Eure eignen, die Euch dann beweinen,
wenn Eure Särge man nach Hause sendet,
weil Ihr konntet Euch nicht einen
und habt das Schicksal nicht gewendet.
W.P. 03.06.2018
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Dieser Bericht ist sehr sehr einseitig und das weglassen von wichtigen Details könnte man mit Lügen und der Verbreitung von Propaganda gleichsetzten. Erstens sitzt Ahed nicht wegen einer Ohrfeige im Gefängnis, da sie für unzählige Delikte bekannt ist wie das Beißen und Schlagen von Soldaten und das Filmen währenddessen, um eine erhoffte Gewalt israelischer Soldaten aufnehmen zu können. Alle objektiven Fakten kann man hier nachlesen https://de.wikipedia.org/wiki/Ahed_Tamimi
Die Familie hat einen bedeutenden Namen was Verbreitung von Propaganda und ausgehende Gewalt angeht, weswegen man dies vielleicht erwähnen müsse, damit die Leute selber entscheiden, ob sie solchen Zeugenaussagen der Mutter oder dem Vater glauben sollen.
Und ja es ist schrecklich was dem Jungen zugestoßen ist, aber wenn er einen Stein auf den Kopf eines Soldaten wirft hat er eine gezielte Tötungsabsicht. Letzte Woche ist erst ein IDF Soldat an einer solchen Steinattacke gestorben. Klar lässt sich darüber streiten ob es gerechtfertigt ist auf jemanden zu schießen, wenn er versucht einen zu töten, jedoch wird hier diese ausgehende provozierende Gewalt überhaupt nicht deutlich. Zudem ist meiner Meinung nach zu erkennen, dass die Soldaten versuchen Ihm erste Hilfe zu leisten, da sie schließlich auch über ihm knien. So steht es übrigens in anderen Berichterstattungen, da gehen die Zeugenaussagen sehr stark auseinander. Somit finde ich es eher schade, dass der Bericht auf subjektiven und teilweise weg gelassenen Informationen beruht, da es Menschen nicht ermöglicht sich ein echtes und nicht verfälschtes Bild von der Lage zu machen.
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Weder lügen wir, noch verbreiten wir Propaganda. Sie machen es sich mit dem, was Sie Wahrheit nennen, auf sehr einseitige Weise sehr leicht. Wenn Sie objektive Fakten lesen möchten, wie wäre es mit diesen: https://palaestina-nachrichten.de/2018/03/21/klartext-israel-hat-die-unmoralischste-armee-der-welt/?
Meinen Sie wirklich ein 16jähriges Mädchen gehört verhaftet und ins Gefängnis geworfen, weil es einen Soldaten einer illegalen Besatzungsmacht ohrfeigt, die gerade kurz zuvor ihrem 15jährigen Cousin in den Kopf geschossen hatte? Dann teilen wir wohl nicht dieselben Werte.
Und auch in einem anderen Punkt halten Sie sich nicht an Fakten: Nein, letzte Woche starb kein IDF Soldat „an einer solchen Steinattacke“. Der IDF Soldat starb, weil ihm jemand eine Marmorplatte auf den Kopf warf. Ein schreckliches Verbrechen, aber in seiner Dimension völlig einzigartig. Was der Junge hier maximal gemacht hat, war Steine gegen Soldaten werfen, die hochbewaffnet und gewalttätig in völkerrechtswidriger Weise in sein Dorf eindrangen. Stellen Sie sich einmal vor, das würde in ihrer Stadt oder Dorf passieren – und Sie würden sich gegen die hochgerüsteten Soldaten, die um sich schießen und verletzen und töten nicht zur Wehr setzen? Halten Sie das wirklich für realistisch?
Fakt: Israels Besetzung der Westbank ist völkerrechtswidrig. Das heißt, Israel verstößt gegen internationales Recht, und Israels Soldaten verletzten die Rechte der palästinensischen Bewohner. Das wäre ein Anlass, sich zu empören. Oder dass eben diese Soldaten einen unbewaffneten jungen Mann erschießen. Das ist nicht „schrecklich“ wie Sie nur sagen, es ist ein Verbrechen. In Deutschland wäre es eins. Und in den illegal besetzten Gebieten ist es das erst recht.
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