.
Antisemitismus: Eine Stellungnahme
Ein Leser übermittelte heute den Antrag aller Berliner Fraktionen an das Berliner Abgeordnetenhaus, Antisemitismus auf das Schärfste zu verurteilen, und fragte die PN Redaktion:
Was sagen Sie dazu?
Im Antragstext heißt es u.a.:
Das Abgeordnetenhaus wolle beschließen:
Berlin verurteilt jede Form des Antisemitismus aufs Schärfste. Dieses Bekenntnis schließt ausdrücklich den sekundären und israelbezogenen Antisemitismus mit ein.
Der Kampf gegen den Antisemitismus ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Berlin steht solidarisch zu Israel und bekennt sich zu Israels Existenz- und Selbstverteidigungsrecht.
Da der Vorwurf, kritische Berichterstattung zu Israel sei antisemitisch, immer wieder im Raum schwebt, hier die heutige Stellungnahme der PN Redaktion:
Guten Tag,
da wir aus Palästina berichten, kommentieren wir eigentlich Aktionen in Deutschland in Sachen Rassismusbekämpfung nicht. Das ist nicht das Thema der Palästina Nachrichten.
Wenn Sie aber der Ansicht wären, Kritik an dem völkerrechtswidrigen Verhalten Israels sei Antisemitismus, dann teilen wir Ihre Ansicht als Juristen und Journalisten nicht.
Das Völkerrecht ist zu respektieren, das gilt für jedes Land der Welt und damit auch für Israel. Israel verletzt vorsätzlich seit über 50 Jahren Völkerrecht, und das ist nicht hinnehmbar. Israel verletzt auch die Genfer Konvention, die Israel verpflichtet, als militärische Besatzungsmacht die Zivilbevölkerung zu schützen. Stattdessen erschießt Israel in den besetzten und belagerten Gebieten (Westbank, Gaza, Ost-Jerusalem) fortlaufend Zivilisten, darunter viele Kinder. Auch das ist absolut nicht hinnehmbar, da es sich um Kriegsverbrechen handelt. Für solche gibt es keine Ausnahmegenehmigung, auch nicht für Israel, das vorgibt, als Demokratie zur zivilisierten Weltgemeinschaft zu gehören. Völkerrechtsverstöße und Kriegsverbrechen sind Rechtsbrüche, die zu verurteilen und rechtlich zu ahnden – und vor allem seitens Israel unverzüglich zu beenden sind.
Im übrigen lehnen wir jede Form von Antisemitismus ab, lehnen aber auch ab, mit dem konstruierten Vorwurf des Antisemitismus legitime Kritik an Menschenrechtsverbrechen, z.B. durch die israelische Armee, unterdrücken zu wollen. Das ist nicht akzeptabel. Israel muss seine Menschenrechtsverletzungen einstellen, dann muss es auch keine diesbezügliche Kritik fürchten. Nur so kann es funktionieren.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass selbst nach Meinung israelischer Sicherheitsexperten das Existenzrecht Israels nicht auf dem Spiel steht. Die Existenz Israels ist nicht zuletzt durch die massive Aufrüstung mit militärischer Hochtechnologie gesichert, und das Argument taugt auch nach Ansicht von israelischen Fachleuten nicht dazu, berechtigte Kritik an Israels Rechtsbrüchen zu unterdrücken.
Eine persönliche Anmerkung sei abschließend hinzugefügt:
Persönlich glaube ich nicht, dass es erforderlich ist, dass jedes Kommunalparlament in Deutschland einen Beschluss zu Antisemitismus verabschiedet. Antisemitismus verbietet sich, und unser Grundgesetz und Strafrecht sind ausreichend aufgestellt, um mit derartigen Verstößen umzugehen. Man kriegt allerdings im Rest der Republik gelegentlich das Gefühl, dass in Berlin scheinbar (sic) andere Verhältnisse herrschen. Zumindest für Bremen und Hamburg kann ich keine Anzeichen von aufflammendem Antisemitismus erkennen. Man sollte sich in Berlin vielleicht davor hüten, die ggf. dort existierende spezielle Lage als für die ganze Republik repräsentativ anzusehen.
Mit freundlichen Grüßen
Jens M. Lucke
Chefredakteur
20.06.2018
Ergänzend sei angefügt, dass damit nicht behauptet werden soll, es käme in Deutschland nicht zu antisemitischen Vorfällen. Mit diesen muss aber genauso besonnen rechtstaatlich umgegangen werden, wie mit allen Formen von Rassismus. Einen Unterschied in der Verabscheuungswürdigkeit von Rassismus gibt es nicht. Rassismus ist immer auf das Schärfste zu verurteilen.
.
.
So macht sich die PLO unglaubwürdig
zu: Hamas-Mitglieder greifen friedliche Demonstration in Gaza an – PLO zeigt sich entsetzt
von Jens M. Lucke
19.06.2018
Hanan Ashrawi ist eine kluge Frau. Als gewichtige Vertreterin des Exekutivkomitees der PLO sollte sie es besser wissen, als sich mit Äußerungen unglaubwürdig zu machen, die man nur als pure Heuchelei bezeichnen kann. Als die PLO geführte Palästinensische Autonomiebehörde vergangenen Mittwoch eine friedliche Demonstration in Ramallah gewaltsam auflöste, Demonstranten, Journalisten und Menschenrechtsaktivisten verprügeln und inhaftieren ließ, Bildmaterial vernichtete und Kameras und Handys konfiszierte, da sah weder Ashrawi noch sonst jemand von der PLO eine Veranlassung, zu protestieren. Im Gegenteil. Am Tag danach bezeichnete PLO-Mitglied Azzam al-Ahmad die Vorwürfe der Demonstranten, gegen Gaza hätte Abbas seit April 2017 Sanktionen verhängt, als reine „Erfindung“. Das seien Hirngespinste von dunklen Kräften, die mit der „Amerikanisch-Israelischen Verschwörung gegen Plästinenser“ im Bunde seien. So einfach kann man es sich machen.
Keine Woche später protestieren in Gaza Palästinenser für ein Ende der Zerrissenheit ihrer politischen Führung und für die Aufhebung von Sanktionen und werden von Mitgliedern der Hamas angegriffen. Nun aber erhebt Ashrawi ihre empörte und besorgte Stimme, nennt derartiges Verhalten gegenüber friedlichen Demonstranten einen Verstoß gegen internationales Recht, fordert einen Untersuchungsausschuss (für den man sich in Ramallah nicht einsetzt) und spricht gar von „unpatriotischem Verhalten“. Was genau war dann aber das, was im Namen der PLO fünf Tage zuvor in Ramallah geschah?
Es ist verlogen, wenn die PLO jetzt der Hamas genau das vorwirft, was ihre eigenen Polizeikräfte erst vor ein paar Tagen selbst gemacht haben. Zumal letzte Woche Hundertschaften der Palästinensischen Polizei gegen friedliche Demonstranten im Einsatz waren. In Gaza dagegen rüpelten nur ein paar Dutzend Hamas-Mitglieder, die niemanden krankenhausreif schlugen und auch niemanden verhafteten.
Man fragt sich, wie Ashrawi ihre Glaubwürdigkeit behalten will, wenn sie sich so äußert. Fast jede Woche empfängt sie hohe Regierungsvertreter im PLO-Hauptquartier und erklärt ihnen, welche Hilfe die Palästinenser von außen benötigen. Erst heute wieder war eine Delegation der Europäischen Union und eine der Regierung Österreichs bei ihr. Beiden Vertretern verdeutlichte sie die Wichtigkeit, den Palästinensern „in diesen turbulenten Zeiten“ beizustehen. Richtig. Doch gleichzeitig die Turbulenzen selbst zu verursachen, ist da kontraproduktiv. Und warum sollten diese Vertreter Ashrawi ernst nehmen, wenn sie sich nur kurz zuvor derart unglaubwürdig verhält?
Dass kein Unterschied besteht, ob man friedliche Demonstranten in Ramallah oder Gaza zusammenschlägt, weiß auch Ashrawi. Aber der Unterschied muss herbeigeredet werden, damit das Bild von Gut und Böse aufrechterhalten bleibt. Nur glaubt das keiner, der auch nur einigermaßen mitdenken kann. Die Attacken von ein paar Dutzend Hamas-Mitgliedern sollen schlimmer sein, als die brutalen Übergriffe ganzer Hundertschaften geschulter uniformierter Polizisten. Wem möchte die PLO-Vertreterin das weismachen?
Hanan Ashrawi beschädigt mit derart heuchlerischer Empörung ihre ansonsten beachtliche Reputation und die Glaubwürdigkeit der PLO. Und die Leidtragenden sind in diesem absolut unrühmlichen Spiel die Palästinenser, die das Gezänk und den innerpalästinensischen Krieg leid sind. Während die Israelis weiter Palästinenser am Zaun von Gaza erschießen – gerade erst wieder ein 13jähriges Kind und einen 24jährigen Mann – , prügeln die palästinensischen Vertreter auf ihr Volk und aufeinander ein. Das ist Versagen auf ganzer Linie.
So lange es den beiden Parteien Fatah und Hamas nur um die Vormachtstellung um jeden Preis geht, und so lange beide Faktionen die Menschen, denen sie verpflichtet sind, als Spielkarten in ihrem Machtpoker missbrauchen, so lange wird es unmöglich sein, eine gemeinsame palästinensische Kraft zu schaffen, mit der man der illegalen Besetzung wirksam entgegentreten kann. Wenn beide mit ihren von Machtgier getriebenen Politikern nicht zur Vernunft kommen, wird es auf Seiten der Palästinenser nur Verlierer geben. Und auf der anderen Seite lachende Dritte – in Washington und in Jerusalem.
.
.
Schuss ins Knie
zu: Schwere Übergriffe der Palästinensischen Polizei bei Demonstrationen in Ramallah
von Jens M. Lucke
18.06.2018
Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und seine Palästinensische Autonomiebehörde sind nervös. Nachdem die USA ihre Botschaft nach Jerusalem verlegt haben, sind die Verbindungen zwischen Ramallah und Washington offiziell gekappt. Hinter den Kulissen aber weiß Abbas, dass es ohne die USA zu keiner Friedenslösung kommen kann. Nicht zuletzt, weil die EU-Vertreter dies immer wieder lautstark betonen. Nachdem Abbas aber den starken Vertreter der Palästinenser gegeben hat, der mit der Weltmacht USA nicht mehr spricht, kann er nun nicht mitansehen, wie seine Autorität innerhalb der Palästinensischen Gebiete in Frage gestellt wird.
Das scheint die Überlegung gewesen zu sein, die Anlass für die massiven Übergriffe auf friedliche Demonstranten war. Es ist eine Überzeugung, wie sie nicht nur in dieser speziell palästinensischen Konstellation, sondern fast überall in der arabischen Welt zu finden ist, wenn allzu autokratisch regierende Mächte das friedliche Infragestellen ihres Handelns als eine Gefahr ansehen, die mit harter Hand bekämpft werden muss. Wie sich die Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde am vergangenen Mittwoch in Ramallah verhalten haben, erinnert erschreckend an die brutalen Übergriffe auf friedliche Demonstranten in Kairo oder Alexandria. Auch in Ägypten duldet es der Militärherrscher Al-Sisi nicht, dass man ihm widerspricht.
Doch leider erinnert das Vorgehen der Sicherheitskräfte in Ramallah an noch etwas: an die Brutalität der Hamas im Gaza-Streifen, die ebenfalls Dissens mit gnadenloser Härte beantwortet. Das aber genau ist das Verhängnis von Abbas. Indem er die Brutalität der Hamas kopiert, beweist er gerade nicht – nicht seinem Volk und nicht den Verhandlungspartnern in der EU oder den USA gegenüber –, dass er es im Gegensatz zur Hamas mit der Demokratie ernst meint und als Garant gelten darf für einen Palästinensischen Staat, auf den die Weltgemeinschaft sich verlassen kann. Wer Demokratie sagt, muss Dissens aushalten. Wer die Hamas in der Unterdrückung des Widerspruchs kopiert, verliert seine Glaubwürdigkeit, anständiger zu sein.
Insbesondere die massiven Übergriffe auf Journalisten, das Vernichten von Bildmaterial und die Verhaftung eines Vertreters von Amnesty International stehen der Palästinensischen Autonomiebehörde nicht gut zu Gesicht. Wer neben dem Recht auf Demonstration, das gerade erst in Gaza von Israel mit tödlicher Gewalt negiert wird, auch eine freie Presse attackiert, hat jeglichen demokratischen Kompass verloren und gerät obendrein in den eigenen Kreisen in den Verdacht, es der verhassten Besatzungsmacht in Sachen Gewalttätigkeit gleichtun zu wollen. Nervosität hin oder her. Übergriffe wie diese in Ramallah vergangene Woche dürfen sich, auch im Eigeninteresse von Abbas und seiner Autonomiebehörde, nicht wiederholen. Alles andere wäre ein weiterer verheerender Schuss ins Knie und damit eine massive Gefahr für die palästinensische Sache.
.
.
Kommentar zu: Jungem Palästinenser droht zweite Beinamputation, weil Israel erneut Ausreise aus Gaza verweigert (14.04.2018)
Niederträchtig
Jens M. Lucke
Zwei junge Männer nehmen an einer friedlichen Demonstration innerhalb des Gazastreifens teil, werden von israelischen Soldaten niedergeschossen und schwer verletzt. Über 1.500 Palästinenser teilen dieses Schicksal und wurden auf gleiche Weise in den letzten drei Wochen mit scharfer Munition verwundet, 34 sogar getötet. Stets behauptete Israel, nur aus Sicherheitsgründen geschossen zu haben, um das israelische Territorium vor Terroristen zu schützen.
Nun aber hat die israelische Regierung die Katze aus dem Sack gelassen. Indem man einräumt, dass die medizinischen Voraussetzungen für eine Ausreisegenehmigung vorliegen, man die beiden Männer aber wegen ihrer Teilnahme an der Demonstration nicht zur dringend erforderlichen Behandlung ausreisen lässt, präsentiert man das wahre Motiv für diese ungeheuerlichen Gewalttaten: Niedertracht. Denn was anderes als das, verbirgt sich dahinter, wenn man achselzuckend in Kauf nimmt, dass einem 17jährigen und einem 20jährigen, denen man mit fürchterlicher Munition die Gliedmaßen zerfetzt hat, ein Bein amputiert werden muss?
Nicht einmal hat sich Israel für die Verletzung oder gar die Tötung von Palästinensern entschuldigt, selbst dann nicht, wenn die Opfer kleine Kinder waren. Israel nimmt sich das Recht heraus, auf Palästinenser nach Belieben zu schießen – und diese auch zu erschießen –, wenn den Soldaten und deren Vorgesetzten danach ist. Ein Video, das diese Woche auftauchte, dokumentiert dann noch das Freudengeheul israelischer Soldaten, wenn sie wieder einen Palästinenser niedergeschossen haben.
Doch damit nicht genug: Zerfetzt man auf diese Weise jungen Menschen die Beine, verweigert man ihnen noch obendrein die Ausreise zur dringend erforderlichen Operation. Nicht aus Sicherheitsgründen, wie Israel immer behauptet, sondern um die jungen Menschen dafür abzustrafen, dass sie es wagten, als Einwohner eines seit über zehn Jahren von Israel völkerrechtswidrig umfassend blockierten Gebietes gegen diese Behandlung zu protestieren. Niederträchtiger geht es nicht mehr.
Im Weltbestseller des russischen Schriftstellers Alexander Solschenizyn, „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitch“, werden die grausamen Verhältnisse geschildert, denen Dauergefangene in einem sowjetischen Straflager ausgesetzt sind. Am erschütterndsten sind in dem Buch nicht einmal die Beschreibungen des unendlichen Leids der Insassen, sondern der dann fast lapidar eingestreute Satz:
„Niemanden störte es, wenn ein Gefangener starb. Doch was, wenn er entfloh?“
Israel hat sehenden Auges und absichtlich zugelassen, dass zwei junge Männer – die von israelischen Soldaten fürchterlich verletzt wurden – ihre Beine verlieren. Und nimmt weiter billigend in Kauf, dass dem 20jährigen Yousef Karnaz auch noch das zweite Bein amputiert werden muss.
Eine solche Niedertracht geschieht nicht zum ersten Mal. 2017 starben im Gazastreifen 54 Patienten, darunter 48 Krebskranke, weil Israel ihnen die Ausreise zur dringend erforderlichen Behandlung verweigerte.
Damit verhält sich Israel nicht minder abscheulich, als damals die Sowjetunion in ihren Straflagern. Auch Israel ist es völlig gleichgültig, ob Einwohner im Gazastreifen ihre Beine verlieren oder sterben – Hauptsache, sie kommen nicht raus.
.
.
Kommentar zu: Israelische Grenzpolizisten verhaften dreijährigen Palästinenserjungen (29.03.2018)
Kranker geht es nicht
Jens M. Lucke
Terroristen werden immer jünger. Nun sind in den Augen israelischer Grenzpolizisten bereits Dreijährige „Agenten für terroristische Aktivitäten“. Grotesker geht es kaum. Die Vorstellung, dass ein eher tollpatschig laufendes Kleinkind mit einem Schraubenzieher eine Messerattacke auf erwachsene Polizisten durchführt, ist derart absurd, dass man sich fragen muss, wie paranoid die Besatzungsmacht Israel inzwischen ist. Man hätte gerne einmal erklärt bekommen, wie der Knirps das rein körperlich hätte bewerkstelligen sollen angesichts der enormen Größendifferenzen. Fürchteten die Grenzpolizisten einen Terroranschlag auf ihre Waden? Höher dürfte dieses kleine Kind mit seinen Händchen kaum reichen können.
Was sich in diesem Vorfall einmal mehr zeigt, ist, dass für die israelischen Besatzungskräfte jeder Palästinenser, und sei es ein dreijähriges Kind, eine zu bekämpfende Gefahr darstellt, bei der alle normalen, zivilisierten Regungen wie Empathie fehl am Platz sind. Wer so paranoid auf alles reagiert, was sich um ihn herum bewegt, zeigt nur, dass er selbst weiß, wie illegal die Besatzung ist, für die er mit bis an die Zähne bewaffneten Soldaten und Grenzpolizisten verantwortlich zeichnet. Wie krank muss der von einem selbst geschaffene Zustand sein, wenn man sich dann nicht einmal mehr in der Nähe eines Dreijährigen sicher fühlen kann? Die Besatzung korrumpiert nicht nur, wie es ein israelischer Politiker kürzlich sagte, sie zerstört auch psychologisch den Besatzer. Sechs ehemalige Chefs des Mossad haben gerade in einem Interview erklärt, Israel unter Benjamin Netanyahu sei „krank“. Der Vorgang um die Verhaftung eines dreijährigen „Terroristen“ zeigt, dass sie Recht haben. Kranker geht es nicht.
.
Israel hat die unmoralischste Armee der Welt
Jens M. Lucke
21.03.2018

Die israelischen Soldaten kamen wie immer in der Nacht. Gegen 2 Uhr in der Früh stürmten sie das Dorf Nabi Saleh, schlugen gegen Türen, drangen in Häuser und Wohnungen ein und zwangen Bewohner unter Waffengewalt aus ihren Betten. Als die Razzia, die sich in diesem Muster jede Nacht in der Westbank wiederholt, vorbei war, hatten die Soldaten zehn Palästinenser festgenommen, darunter sechs Jugendliche.
An sich wäre das nichts Bemerkenswertes. Nacht für Nacht überfallen israelische Soldaten Dörfer in den illegal besetzten Gebieten, reißen die Bewohner aus dem Schlaf, verwüsten Inneneinrichtungen, stehlen Geld und Schmuck und nehmen willkürlich und ohne jedes Maß mit, wer ihnen für ein Verhör oder eine Inhaftierung geeignet erscheint. Allein in den ersten zwei Monaten dieses Jahres verhafteten israelische Soldaten in den besetzten Gebieten 1.319 Palästinenser, darunter 274 Kinder und 23 Frauen.
Doch diese Razzia in Nabi Saleh Ende Februar hatte eine Besonderheit. Unter den sechs Jugendlichen, die man festnahm, war auch der schwerverletzte 15jährige Mohammed Tamimi, ein Junge, dem israelische Soldaten Wochen zuvor in den Kopf geschossen hatten und der kurz vor der nächsten schweren Operation stand.
Nachts gegen 3 Uhr holten sie das traumatisierte Kind mit angelegten Gewehren aus dem Bett, verschleppten es zu einer Polizeistation und verhörten es dort unter Druck bis zum Vormittag – ohne Beistand von Eltern oder eines Rechtsanwaltes. Nach fast sechs Stunden Terrorisierung hatten sie den schwer am Kopf verletzten Jungen soweit, dass er eine Erklärung unterschrieb: Seine schlimmen Verletzungen habe er sich bei einem Sturz vom Fahrrad zugezogen. Er sei beim Fallen auf den Lenker gestürzt.
Nachdem sie diese groteske Erklärung am Morgen endlich aus dem Kind gepresst hatten, ließen die israelischen Peiniger es gehen. Den Weg nach Hause musste der verängstigte und verletzte Junge alleine finden.
Doch damit nicht genug. Einen Tag später veröffentlichte Israels Koordinator für Regierungsaktivitäten in den (besetzten) Gebieten, Generalmajor Yoav Mordechai, auf der Facebook-Seite der Armee die Erklärung des Jungen und triumphierte angesichts des Ergebnisses dieses schäbigen Vorgangs. Die Wunden seien „selbstverschuldet“, schrieb er. Den verletzten Jungen verhöhnte er, indem er über den Facebook-Post in roter Schrift „Fake News“ setzte – womit er, Ironie, keineswegs die abenteuerlich erfundene Geschichte der Armee meinte, sondern die Berichterstattung in den Medien, wonach der Junge durch einen Kopfschuss von israelischen Soldaten so schwer verletzt wurde.
.
Kommentar zu: Israelische Soldaten konfiszieren Müllwagen im Raum Nablus (27.11.2017)
Keine Frage, es gibt schlimmere Verbrechen, welche die Besatzungsmacht Israel in den von ihr illegal besetzten palästinensischen Gebieten ständig begeht – unaufhörliche nächtliche Überfälle auf Zivilisten in ihren Häusern, illegale Beschlagnahme von Schmuck, Wertgegenständen und Geld, Misshandlungen von Frauen und Kindern, tägliche Festnahmen von Unschuldigen, die ohne Rechtsverfahren und Anklage tage-, wochen- oder gar monatelang in Haft gehalten werden, oder sogar das Töten der Zivilbevölkerung. Allein in diesem Jahr haben israelische Soldaten nach jüngsten Angaben der Vereinten Nationen bereits 60 Palästinenser getötet, darunter auch 14 Kinder – das jüngste war 13 Jahre alt. Was ist dagegen das Konfiszieren eines Müllwagens? Eine Lappalie, könnte man meinen.
Doch die Behinderung und Verhinderung einer ordentlich funktionierenden Müllabfuhr in den palästinensischen Ortschaften folgt einem ständigen Muster und ergänzt gezielt die fortdauernde Drangsalierung der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten. Während Israel nicht müde wird, zu betonen, dass man selbst dank Fleiß und Motivation eine blühende Wirtschaft aufgebaut hat – während die unfähigen Palästinenser in ihren Gebieten nichts erreicht hätten – verschweigt die Besatzungsmacht galant, dass sie genau diesen Unterschied mit ihren Drangsalierungen bewusst erzeugt.
Palästinensisches Agrarland wird konfisziert und zu militärischem Sperrgebiet ernannt, das die Eigentümer nicht mehr betreten dürfen – die illegalen Siedler von nebenan aber schon. Olivenhaine werden von palästinensischen Ortschaften abgetrennt, den Eigentümern nur nach Erteilen von Sondergenehmigungen zweimal im Jahr das Betreten erlaubt, und in der Zwischenzeit den illegalen Siedlern freie Hand beim Plündern der Olivenernte gegeben. Kommen sich die palästinensischen Eigentümer und die israelischen Diebe ins Gehege, schaut die israelische Armee in den meisten Fällen ungerührt zu, während die Siedler die Eigentümer der Olivenhaine angreifen, mit Steinen bewerfen und verprügeln.
Und während die zu bewirtschaftenden Agrarflächen in der Westbank verdorren und die palästinensischen Dörfer meist ohne Anschluss ans Wassernetz auskommen müssen, sprudelt auf der anderen Seite der von Israel illegal errichteten Trennmauer das großzügig abgeleitete Wasser reichlich in Swimmingpools und üppige Gartenanlagen. Zisternen, die den Palästinensern wenigstens ein bisschen Wasser geben könnten, werden obendrein von israelischen Soldaten immer wieder verseucht und zerstört.
So entsteht in den eigentlich den Palästinensern gehörenden Gebieten eine Zwei-Klassen-Welt, besiedelt von hemmungslos im Überfluss schwelgenden und von israelischen Soldaten beschützten illegalen Siedlern auf der einen – und ärmlich, um jeden Wassertropfen und minimalste Bewirtschaftung kämpfenden Palästinensern auf der anderen Seite. Das Selbstwertgefühl der palästinensischen Bevölkerung soll auf diese Weise, begleitet von dem mächtigen Protzen der illegalen Besatzungsmacht, auf einen Minimumwert reduziert werden. Eine Bevölkerungsgruppe ohne Selbstwertgefühl, das hat die Geschichte gelehrt, kann man allemal besser unterdrücken.
Das Konfiszieren von Müllwagen passt in genau dieses Schema und geschieht nicht von Ungefähr. Wenn sich der stinkende Müll in den Straßen palästinensischer Dörfer in der Westbank nur hoch genug stapelt, so wohl das Kalkül, wird sich die Bevölkerung schnell so vorkommen, wie es die israelische Rechte ohne Unterlass propagiert: wie Dreck, der keine Berechtigung hat, als zivilisiert anerkannt zu werden.
Und während in den illegalen Siedlungen in der Westbank die Straßen picobello sauber sind, kann sich Israel einmal mehr mit seiner Waffengewalt darüber mokieren, dass diese Palästinenser doch nicht wirkliche Menschen sind, die etwas auf die Reihe kriegen, und die man respektieren kann. Sie räumen ja nicht einmal ihren Müll weg. Wie gut sind da doch die hochzivilisierten Israelis, die es nie zu stinkenden Müllbergen in ihren Siedlungen kommen lassen würden.
Wie nennt der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu seine Besatzungsmacht gebetmühlenhaft noch gleich? Richtig: „Die moralischste Armee der Welt.“
So reden illegale Besatzer, die es besser wissen.
.
Kommentar zu: Israelische Soldaten erschießen 26jährigen Palästinenser, verwunden seine Schwester (31.10.2017)
Wieder einmal wurde ein junger Palästinenser von israelischen Soldaten an einem militärischen Kontrollpunkt erschossen, ohne dass es für das Eröffnen des Feuers auf den Unbewaffneten die geringste Rechtfertigung gab. Und wieder einmal, wie so oft auch bei getöteten Jugendlichen, erfolgten die Schüsse in den Rücken, also zu einem Zeitpunkt, als sich der Beschossene von den Soldaten wegbewegte, insofern nachweislich keine Gefahr darstellte.
Nicht von ungefähr spricht die Palästinensische Autonomiebehörde in Übereinstimmung mit zahlreichen israelischen und internationalen Menschenrechtsorganisationen von „extralegalen Hinrichtungen“, die sich in den letzten Monaten in erschreckendem Maße häufen. Dabei trifft es oft genug auch Teenager, denen beim Weglaufen von Kontrollpunkten von israelischen Soldaten in den Rücken geschossen wird. Und wie im Fall des sterbenden Muhammed Abdullah Moussa, behindert auch in solchen Fällen die Armee dann noch die Ärzte des Roten Halbmonds bei der Versorgung der Verletzten und nimmt damit billigend den Tod der beschossenen Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in Kauf. Ein schwereres Verbrechen kann eine Besatzungsmacht nicht begehen.
Israel verstößt gegen Völkerrecht und begeht Kriegsverbrechen, wenn es wehrlose Menschen in den besetzten Gebieten willkürlich und ohne rechtfertigenden Grund erschießt und die Schuldigen dann nicht einmal zur Verantwortung zieht. Der Ruf der Palästinensischen Autonomiebehörde, diese Verbrechen vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen, sind angesichts der nicht enden wollenden Tötungen von palästinensischen Zivilisten verständlich. Ebenso die Kritik an der schweigenden internationalen Gemeinschaft, die um diese Verbrechen weiß, aber den Mut nicht aufbringt, gegen Israel wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Wie viele Palästinenser darf Israel noch nach Belieben und ohne Grund töten, bis die Weltgemeinschaft aufsteht und sagt: „Es reicht!“? Und warum schweigt Deutschland zu derartig abscheulichen Verbrechen eines „guten Freundes“?
.