(PN) 15.05.2018 – Bei Demonstrationen im Gazastreifen am Montag haben israelische Scharfschützen ungeachtet aller internationalen Appelle 58 Palästinenser erschossen, darunter sechs Kinder – fünf Jungen und ein Mädchen. Das jüngste Opfer, Izz Eldin Mousa al-Sammak, war 14 Jahre alt. Am Dienstagmorgen gab das Gesundheitsministerium in Gaza bekannt, dass ein acht Monate altes Mädchen, Laila Anwar Ghandour, an den Folgen des Einatmens von Tränengas gestorben sei. Am Dienstagmittag wurde bekannt, dass ein 30jähriger, Omar Abu Fool, im al-Shifa Krankenhaus in Gaza Stadt seinen Verletzungen erlag. Die Zahl der am Montag durch israelische Soldaten getöteten Palästinenser erhöht sich somit auf 60.
2.771 palästinensische Demonstranten wurden verletzt, davon 1.359 durch scharfe Munition. 130 von ihnen befinden sich in einem kritischen Zustand. Damit erhöht sich die Zahl der seit dem 30. März durch Israel getöteten Palästinenser in Gaza auf 114. Darunter sind 13 erschossene Kinder – 12 Jungen und ein Mädchen –, das erstickte Kleinkind sowie zwei getötete Journalisten. António Gutteres, UN Generalsekretär, zeigte sich angesichts der „drastischen Eskalation von Gewalt“ und der „hohen Zahl von getöteten Palästinensern und verletzten Demonstranten in Gaza“ zutiefst erschüttert. Weltweit äußerten Institutionen, Regierungsvertreter und Menschenrechtsorganisationen ihr Entsetzen über das von der israelischen Armee verursachte Blutbad im Gazastreifen.

Obwohl die Demonstrationen unter dem Motto „Großer Rückkehrmarsch“ normalerweise Freitags stattfinden, waren am Montag erneut Palästinenser an den Grenzzaun des Gazastreifens gekommen, um für ihre Rechte zu demonstrieren. Anlass dafür war die offizielle Eröffnung der amerikanischen Botschaft in Jerusalem am Montag. Damit verbunden ist die einseitig von den USA ausgesprochene Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels. Die Entscheidung, die von 128 Ländern, darunter die gesamte Europäische Union, abgelehnt wurde, war Anlass zu den großen Freitagsdemonstrationen im Gazastreifen, die am 30. März begonnen hatten.
Parallel zu den Eröffnungsfeierlichkeiten der Botschaft, zu denen die Tochter des amerikanischen Präsidenten, Ivanka Trump, mit ihrem Ehemann Jared Kushner sowie Regierungsvertretern angereist war, protestierten am Montag schätzungsweise 35.000 Palästinenser erneut am Grenzzaun von Gaza. Obwohl seit Wochen die UN, die EU, westliche und arabische Regierungen sowie internationale Menschenrechtsorganisationen angesichts von bisher bereits 54 getöteten Palästinensern an Israel appelliert hatten, beim Schusswaffengebrauch Zurückhaltung zu üben, zeigte die israelische Armee am Montag eine bisher nicht dagewesene Gewaltbereitschaft. 58 Demonstranten wurden bis zum Abend von israelischen Scharfschützen getötet, ein weiterer Mann erlag am heutigen Dienstag seinen Schussverletzungen. Dabei schreckten die israelischen Soldaten wieder nicht vor der Erschießung von Kindern zurück. Und das, nachdem sie bereits am vergangenen Freitag dem 15 jährigen Jamal Afaneh in den Kopf geschossen hatten, und das schwerverletzte Kind am Samstagabend an den Folgen der Schusswunden starb.

Mit den bisher seit 30. März getöteten 13 palästinensischen Kindern hat Israel in den ersten viereinhalb Monaten dieses Jahres bereits 20 palästinensische Kinder getötet, fast alle durch Schüsse in den Kopf.
Verheerende Verletzungen
Zusammen mit den 2.771 verwundeten Demonstranten am Montag wurden seit dem 30. März im Gazastreifen inzwischen über 10.000 Palästinenser durch israelische Soldaten verletzt, mehr als 3.500 davon mit scharfer, zum Teil international verbotener Munition, die im Körper des Opfers explodiert und verheerende Gewebe- und Knochenzerstörungen verursacht. Davon waren auch am Montag erneut Kinder betroffen, denen israelische Scharfschützen mit solcher Munition in die Beine schossen. Und das, nachdem vor vier Wochen einem 12jährigen Palästinenserjungen wegen derartiger Verletzungen ein Bein amputiert werden musste und zwei weitere Jugendliche ebenfalls jeweils ein Bein verloren.


Krankenhäuser sind überfordert
In den Ambulanz-Zelten, die überall im Gazastreifen nahe der Demonstrationsorte vom Roten Halbmond und medizinischen Hilfsorganisationen aufgestellt wurden, kamen die Helfer angesichts der hohen Zahl von Verletzten mit der Versorgung kaum noch nach.
Und auch in den Krankenhäusern des Gazastreifens mussten Verletzte auf dem Boden erstversorgt werden, da angesichts von Tausenden bisherigen verwundeten Demonstranten die Krankenstationen überfüllt sind.
Der UN Humanitäre Koordinator für die besetzten Palästinensischen Gebiete, Jamie McGoldrick, sprach von einer „Katastrophe“ im Gazastreifen. „Das medizinische Personal im Shifa Krankenhaus ist überfordert. Es versorgt Hunderte von Verletzten, darunter Frauen und Kinder. Die wichtigen medizinischen Materialien gehen aus. Und am erschreckendsten ist, dass die öffentlichen Krankenhäuser in Gaza nur noch für weniger als eine Woche Treibstoffreserven für den Betrieb haben.“
Noch am Sonntag hatte McGoldrick an Israel appelliert, Palästinenser, vor allem Kinder und Sanitäter, nicht anzugreifen. Seit dem 30. März wurden mindestens 169 Sanitäter durch israelischen Beschuss verletzt und 18 Krankenwagen angegriffen und beschädigt.

„Es ist nicht zu begreifen, dass Ersthelfer keinen Schutz haben und ihr eigenes Leben riskieren, wenn sie Verletzten erste Hilfe gewähren. Medizinisches Personal muss immer geschützt werden“, so der UN Koordinator. Doch auch dieser Appell verhallte ungehört. Am Montag beschoss Israel wieder Rettungskräfte im Einsatz und tötete dabei einen Sanitäter.

Erneut ein doppelt Beinamputierter erschossen
Auch vor der Erschießung von Schwerbehinderten schreckten israelische Scharfschützen erneut nicht zurück. Am Montag erschossen sie den doppelt beinamputierten Fadi Abu Salah, der von seinem Rollstuhl aus an den Demonstrationen teilnahm und keine Gefahr für israelische Soldaten darstellte. Sein Tod erinnert an die Erschießung des ebenfalls zweifach beinamputierten Palästinensers Ibrahim Abu Thuraya im Dezember. Wie Thuraya hatte Abu Salah seine Beine bei früheren Angriffen Israels auf den Gazastreifen verloren. Nun verlor er auch noch sein Leben.


Angesichts von 60 getöteten und über 2.700 verletzten Palästinensern an nur einem Tag waren die Rettungssanitäter im Dauereinsatz und auf die Hilfe von Demonstranten angewiesen. Als Krankenwagen wegen der vielen Transporte nicht mehr zur Verfügung standen, brachten Helfer die Verletzten und Toten zum Teil auf Ladeflächen von Kleintransportern und per Motorrad in die umliegenden Krankenhäuser. In den Leichenschauhallen spielten sich dramatische Szenen ab, als Angehörige kamen, um die Toten zu identifizieren.


Die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem erklärte in einem Facebook Post, auf Demonstranten in Gaza mit scharfer Munition zu schießen, zeige „eine abscheuliche Gleichgültigkeit gegenüber menschlichem Leben“. B’Tselem forderte erneut „ein unverzügliches Ende des Tötens palästinensischer Demonstranten“. Sollten die verantwortlichen Offiziere dies nicht stoppen, müssten sich die Soldaten vor Ort weigern, „eindeutig illegale Schussbefehle“ auszuführen.
Die Menschenrechtsorganisation hatte vor vier Wochen mit großflächigen Anzeigen in israelischen Tageszeitungen Soldaten dazu aufgefordert, dem Befehl, auf friedliche Demonstranten zu schießen, nicht Folge zu leisten. Trotzdem schossen israelische Scharfschützen weiter auf Demonstranten und töteten seither insgesamt 114 Palästinenser, darunter 14 Kinder.
Erneut Journalisten angegriffen
Auch Journalisten waren am Montag wieder Opfer israelischer Angriffe, obwohl die israelische Armee behauptet hatte, nicht auf Pressevertreter zu zielen. Vor fünf Wochen hatten israelische Scharfschützen den Journalisten Yaser Murtaja getötet, eine Woche später den Journalisten Ahmad Abu Hussein erschossen. Gut zwei Dutzend Pressevertreter waren darüber hinaus in den letzten Wochen verletzt worden.
Am Montag wurden weitere 15 Journalisten durch Kugeln und Beschuss mit Tränengaskanistern verwundet, darunter ein Kameramann des Senders Al-Jazeera und ein Kameramann des algerischen Fernsehens.

Der Fotojournalist Yasser Qdeih wurde durch Schüsse so schwer verletzt, dass er noch am Montagabend ins Makased Hospital nach Ost-Jerusalem verlegt werden musste. Ärzte bemühen sich dort derzeit darum, sein Leben zu retten. Zuvor musste eine Genehmigung Israels eingeholt werden, dass der schwerverletzte Journalist aus Gaza ausreisen durfte. Am heutigen Dienstag wurde Qdeih operiert. Ob er durchkommt, ist derzeit nicht gewiss. Wie seine getöteten Kollegen Murtaja und Hussein, trug Qdeih zum Zeitpunkt des Angriffs eine blaue Schutzweste mit dem Aufdruck „PRESSE“ und war für die israelischen Scharfschützen insofern eindeutig als Journalist zu erkennen gewesen.

Auch nahm die israelische Armee gezielt die Presse unter Tränengasbeschuss, so dass etliche Kamerateams ihre Arbeit einstellen und medizinische Hilfe in Anspruch nehmen mussten.

Die israelische Armee setzte am Montag unzählige Drohnen zum Abwerfen von Tränengas ein. Dabei beschoss sie auch Demonstranten, die sich eindeutig weit vom Grenzzaun entfernt bei den Zelten aufhielten.

So ist auch zu erklären, dass zahlreiche Kinder durch das Einatmen von Tränengas erstickungsähnliche Anfälle bekamen und medizinisch versorgt werden mussten. Für das acht Monate alte Baby, Laila Anwar Ghandour, kam die Hilfe zu spät.



Internationales Entsetzen
Das Ausmaß der Gewalt gegen unbewaffnete Demonstranten hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Der UN Menschenrechtskommissar, Zeid Ra’ad al-Hussein, schrieb am Montag auf Twitter:
„Schockierendes Töten von Dutzenden, Verletzungen von Hunderten durch israelischen Beschuss mit scharfer Munition in #Gaza muss jetzt aufhören. Das Recht auf Leben muss geachtet werden. Jene, die für ungeheuerliche Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, müssen zur Verantwortung gezogen werden. Die internationale Gemeinschaft muss Gerechtigkeit für die Opfer sicherstellen.“
Die EU-Außenbeauftragte, Federica Mogherini, die bereits in den letzten Wochen Israel mehrfach vergeblich zur Zurückhaltung bei der Anwendung tödlicher Gewalt aufgefordert hatte, erklärte am Montagnachmittag, Israel müsse das Recht auf friedliche Demonstrationen sowie das Prinzip der Verhältnismäßigkeit der Mittel respektieren. Die israelische Armee müsse „ein Höchstmaß an Zurückhaltung üben, um weitere Verluste an Leben zu vermeiden“.
Der britische Minister für den Mittleren Osten, Alistair Burt, zeigte sich in einer Stellungnahme angesichts der vielen getöteten und verletzten Palästinenser „schockiert“ und nannte die Vorgänge „in höchstem Maße tragisch“. Im übrigen sei es „extrem beunruhigend“, dass die Zahl der Getöteten kontinuierlich ansteige. Die britische Regierung empfinde das Ausmaß von eingesetzter scharfer Munition „in höchstem Maße bedenklich“ und beschwöre Israel, größere Zurückhaltung zu zeigen.
Der französische Staatspräsident, Emmanuel Macron, telefonierte mit dem palästinensischen Ministerpräsidenten Mahmoud Abbas und sprach ihm anlässlich der 60 getöteten Palästinensern persönlich sein Beileid aus. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte, Frankreich appelliere erneut an Israel, Urteilsvermögen zu beweisen und Zurückhaltung beim Einsatz von Gewalt zu zeigen, die „strikt verhältnismäßig“ sein müsse.
Die Bundesregierung gab sich am Montagvormittag bei der routinemäßig stattfindenden Regierungspressekonferenz noch zurückhaltend. Als die Zahl der Toten jedoch kontinuierlich über den Tag hinweg besorgniserregend anstieg, veröffentlichte sie am Montagnachmittag eine Stellungnahme, in der es heißt:
„Die Berichte über die heutigen Proteste in Gaza mit Dutzenden Toten und Verletzten sehen wir bestürzt und mit tiefer Sorge.
Das Recht auf friedlichen Protest muss auch in Gaza gelten. Gleichzeitig haben wir immer deutlich gemacht: Dieses Recht darf nicht missbraucht, zum Vorwand genommen oder ausgenutzt werden, um die Lage zu eskalieren, Gewalt zu üben oder andere dazu anzustacheln.
Israel hat das Recht, sich zu verteidigen und den Zaun gegen ein gewaltsames Eindringen zu sichern. Aber es gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Dies schließt auch ein, dass scharfe Munition nur dann zum Einsatz kommt, wenn andere, schwächere Methoden der Abschreckung nicht zum Ziel führen und konkrete Bedrohungen bestehen.
Die Menschen im Gaza-Streifen sind in einer bedrückenden humanitären Lage, aus der sich unmittelbar kaum ein Ausweg zeigt. Deutschland ist weiter bereit, über die Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe zu unterstützen. Bevor wieder über dringend notwendige Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensumstände in Gaza diskutiert werden kann, muss sich die Lage vor Ort dringend beruhigen. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg ist, dass diejenigen, die die Macht im Gaza-Streifen ausüben, der Gewalt abschwören und die palästinensische Behörde wieder die Kontrolle in Gaza ausübt.
Alle müssen sich nun dafür einsetzen, dass es nicht zu einer noch schlimmeren Zuspitzung der Lage kommt.“
Andere Länder reagierten entschiedener. Der irische Außenminister, Simon Coveney, der erst kürzlich den Gazastreifen besucht hatte, zeigte sich „zutiefst schockiert“, dass erneut Dutzende von friedlichen Demonstranten von Israel erschossen und Tausend weitere „lebensverändernde Verletzungen“ erlitten hätten. Für die Menschen, die in Gaza unter „unmöglichen und untragbaren Verhältnissen“ lebten, sei dies eine Tragödie. Coveney erneuerte seine Forderung nach einer „dringend erforderlichen unabhängigen Untersuchung“, wie sie der UN Generalsekretär gefordert hatte.
Der finnische Außenminister, Timo Soini, erklärte, Finnland sei zutiefst besorgt über die „exzessive Gewaltanwendung und den Verlust von Leben“. Internationales Recht und Menschenrechte müssten respektiert werden, so Soini. „Dazu gehört auch das Recht zu friedlichen Zusammenkünften.“
Der Sprecher des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Ibrahim Kalin, schrieb auf Twitter: „Die sogenannte zivilisierte Welt muss sich schämen angesichts des Schweigens im Lichte dieser systematischen Barbarei.“ Jeder von Israel getötete Palästinenser in den besetzten Gebieten sei „ein weiterer dunkler Fleck, ein weiteres Verbrechen, das zu „Israels Mauer der Schande“ hinzukomme. Das türkische Außenministerium erklärte, der Umzug der amerikanischen Botschaft nach Jerusalem habe die israelische Armee angestachelt, palästinensische Demonstranten zu töten. „Wir verfluchen das von der israelischen Armee ausgeführte Massaker an friedlich demonstrierenden Palästinensern.“
Erdogan selbst erklärte bei einem Besuch in London gegenüber türkischen Studenten: „Israel ist ein Terroristenstaat“. Er sprach von „Völkermord“. Die Rede wurde im türkischen Staatsfernsehen übertragen. Gleichzeitig erklärte der stellvertretende türkische Ministerpräsident, dass die Türkei ihre Botschafter in den USA und in Israel abziehe. Berichten der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu vom heutigen Dienstagnachmittag zufolge, wurde inzwischen der israelische Botschafter in der Türkei, Eitan Naeh, in das Außenministerium in Ankara zitiert und wegen der Gewalttätigkeiten im Gazastreifen „für einige Zeit“ des Landes verwiesen.
Auch das ägyptische Außenministerium verdammte „die Anwendung von Gewalt gegen friedliche Marschierer“. Saudi-Arabien verurteilte in einer Erklärung, dass „unbewaffnete Palästinenser zur Zielscheibe“ wurden. Qatar sprach von einem „brutalen Massaker und systematischer Tötung durch israelische Besatzungstruppen“.
Aus Protest gegen das gewalttätige Vorgehen gegen Demonstranten im Gazastreifen zog auch Südafrika seinen Botschafter aus Israel ab. „Die südafrikanische Regierung verurteilt aufs Schärfste die neuerliche Aggression israelischer Soldaten am Grenzzaun von Gaza“, hieß es am Montag in einer Stellungnahme. „Die Opfer nahmen friedlich an Demonstrationen gegen die provokante Einweihung der amerikanischen Botschaft in Jerusalem teil.“ Angesichts der Willkür und des schwerwiegenden Charakters der neuerlichen israelischen Angriffe, habe man beschlossen, den Botschafter „mit sofortiger Wirkung“ und bis auf weiteres abzuziehen.
Trotz der ungewöhnlich starken internationalen Proteste ist wohl kaum zu erwarten, dass es zu irgendwelchen ernsten Konsequenzen für Israel kommt. Ein Sprecher des amerikanischen Präsidenten erklärte auf einer Pressekonferenz am späten Montagnachmittag, die Schuld für die vielen Toten läge „ausschließlich bei Hamas“. Die Demonstrationen am Grenzzaun seien „zynisch“. Im übrigen, so Sprecher Raj Shah, habe Israel das Recht, sich zu verteidigen.
Die USA blockierten gleichzeitig am Montag zum dritten Mal seit dem 30. März eine Stellungnahme des UN Sicherheitsrates, in der eine unabhängige, transparente Untersuchung der tödlichen Gewalt gefordert wird. Die von Kuwait eingebrachte Resolution, die der Nachrichtenagentur AFP vorliegt, verlangt die Untersuchung der Vorgänge, „um Verantwortlichkeit sicherzustellen“. Außerdem forderte die Resolution alle Parteien auf, ein Höchstmaß an Zurückhaltung zu wahren. Die USA lehnten die Resolution im Vorfeld der für heute angesetzten Dringlichkeitssitzung des UN Sicherheitsrates ab. Stattdessen forderte der israelische Botschafter bei den Vereinten Nationen, Danny Danon, der Sicherheitsrat solle die Hamas verurteilen, da sie für die Demonstrationen verantwortlich sei. Eine Verantwortung Israels für die Tötung von 114 Palästinensern, darunter 14 Kindern, und für die Verletzung von über 10.000 Palästinensern lehnte er ab.
Fröhliche Mienen bei Botschaftseröffnung
Während im Gazastreifen von Stunde zu Stunde die Zahl der getöteten Palästinenser stieg, fanden sich in der neuen amerikanischen Botschaft in Jerusalem am Montag Hunderte von geladenen Gästen ein, um mit der Präsidententochter, Ivanka Trump, ihrem Ehemann, Jared Kushner, dem amerikanischen Finanzminister Steven Mnuchin, dem Sonderbeauftragten des amerikanischen Präsidenten, Jason Greenblatt, dem israelischen Staatspräsidenten Reuven Rivlin sowie dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu die umstrittene Eröffnung des bisherigen Konsulats als nun vorläufige amerikanische Botschaft zu feiern.
Das Gebäude war mit großformatigen Bannern eingekleidet, auf denen Lobpreisungen des amerikanischen Präsidenten Trump zu lesen war. Gleichlautende Banner hingen auch an Laternenmästen, die die Straße zum Botschaftsgebäude säumen.


Auch auf der Frontseite des Gebäudes ließ man keinen Zweifel daran, dass die USA und Israel unzertrennliche Partner sind.

Dies unterstrich auch Präsidententochter Ivanka Trump, als sie, nach großer Geste der Enthüllung einer Steintafel mit der Bezeichnung des Gebäudes und mit dem Namen ihres Vaters und des Vizepräsidenten Mike Pence, die geladenen Gäste ansprach und sie hocherfreut „zum ersten Mal in Jerusalem, der Hauptstadt Israels“ willkommen hieß.

Israelische Medienvertreter, die während der Feier in der Botschaft waren, berichteten, dass, obwohl per Twitter kontinuierlich die neuesten Zahlen getöteter Palästinenser aus dem Gazastreifen eintrafen, die illustre Runde sich die Feierlaune dadurch nicht verderben ließ. Präsident Rivlin dankte dem amerikanischen Präsidenten, dass er „sein Versprechen gehalten hat“. Seit 70 Jahren sei Jerusalem die Hauptsadt Israels (Anm.: ein Status, der international von keinem Land anerkannt wird, und gegen UN Resolutionen verstößt). „Von diesem glücklichen Tag an ist Jerusalem auch die Heimat der amerikanischen Botschaft in Israel, Gott sei Dank“.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanyahu sprach von „einem historischen Tag“ und ergänzte sichtlich zufrieden: „Heute eröffnet in Jerusalem die Botschaft des mächtigsten Landes der Welt, unseres Freundes und Verbündeten, den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir haben auf der Welt keinen besseren Freund.“ Der Präsidententochter und ihrem Ehemann dankte er für ihr „Streben nach Frieden“. Dies sei ein guter Tag auch für den Frieden, ergänzte er. „Man kann Frieden nur auf Wahrheit gründen, und die Wahrheit ist, dass Jerusalem seit 3.000 Jahren die Hauptstadt Israels ist. Möge die Eröffnung dieser Botschaft die Wahrheit überall verbreiten.“
Diese Aussage deckte sich weder mit den Ausführungen des israelischen Staatspräsidenten zuvor, noch mit der historischen Tatsache, dass Jerusalem sich fast zweitausend Jahre lang in vielen nicht-jüdischen Händen befand. Auch die Behauptung, die Verlegung der Botschaft nach Jerusalem diene dem Frieden, wird weltweit angezweifelt. Die Europäische Union stellte am Montag nochmals klar, dass man keine Botschaft nach Jerusalem verlegen werde und nur eine ausgehandelte Lösung zwischen den Parteien über den Status der Stadt dem Frieden dienlich sei.
Dessen ungeachtet verkündete Jared Kushner bei der Botschafts-Eröffnung, die USA hielten auch weiterhin an einer Friedenslösung fest und würden „die Sensibilität, die Jerusalem, eine Stadt die vielen so viel bedeutet, umgibt“ anerkennen. Am Freitag klang das in Washington noch anders. Da hatte ein ranghoher Mitarbeiter der Trump-Administration erklärt, es gelte nun bezüglich Jerusalem einen Frieden zu schaffen, „der auf Realitäten basiert, nicht auf Fantasien“. Damit konnte nur gemeint sein, dass die Palästinenser ihre Hoffnung, Ost-Jerusalem als Hauptstadt eines zukünftigen Palästinenserstaates zu erhalten, als „Fantasie“ zu den Akten legen sollten. Zweifelsohne sollen mit der Botschaftseröffnung in Jerusalem Fakten geschaffen werden, die zum Ziel haben, dass ganz Jerusalem Israel zugeschlagen wird.
Palästinensische Netzaktivisten reagierten auf diese und die ungetrübte Feierlaune der Botschaftsgäste – trotz der verheerenden Zahl von Toten zur gleichen Zeit in Gaza – auf ihre Weise. Sie nahmen das Foto der Enthüllung der Botschaftstafel und ergänzten es um eine Portion „Realität“. Unter dem Motto „Das Ergebnis des Umzugs der US Botschaft“ posteten sie es in die Welt.

[…] 115* getötete Palästinenser – über 10.000 Verletzte auf palästinensischer Seite – wie kann man da von „Ausschreitungen“ sprechen?! Als Jüdin mit deutscher und israelischer Staatsbürgerschaft bin ich doppelt entsetzt und fordere zusammen mit meinen Bündnispartner von BIB e.V., dem Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung: Herr Maas, stoppen Sie das Töten an Gazas Grenzzaun, anstatt ausgerechnet jetzt die israelische Rüstungsindustrie durch Kauf von Drohnen in Milliardenwert zu befeuern! Setzen Sie sich für die Beendigung der israelischen Besatzung ein – jetzt! bib-jetzt.de (Quelle: palaestina-nachrichten.de) […]
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Unglaublich, diese einseitige Berichterstattung. Dass Tausende von Palästinenser versuchen, die Grenze zu Israel gewaltsam zu durchbrechen um dort unbescholtene Israelis zu terrorisieren, das wird geflissentlich verschwiegen. Wie lange noch müssen wir uns diese Gehirnwäsche gefallen lassen?
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Sehr geehrter Herr Künzi, unsere Vermutung, wie lange Sie sich das „noch gefallen lassen“ müssen? So lange die von Ihnen so freundlich als „unbescholtene Israelis“ bezeichneten völkerrechtswidrigen Besatzer palästinensischen Zivilisten, inklusive Kindern, in den Kopf schießen, 117 Palästinenser allein in sechs Wochen töten, über 12.000 zum Teil lebensgefährlich verletzen, obwohl diese für niemanden eine Gefahr darstellten – so lange müssen Sie sich das wohl noch „gefallen lassen“. Sie könnten natürlich auf die unbescholtenen Israelis versuchen einzuwirken, kein Völkerrecht mehr zu brechen, keine Kriegsverbrechen mehr zu begehen, keinen Kindern mehr mit Todesgewalt in den Kopf zu schießen, keine Morde mehr an Zivilisten zu begehen. Wir wären froh, wenn das ein Ende fände und wir dann nicht mehr berichten müssten. Einseitig ist derzeit nur die tödliche Gewalt von Israelis gegen Palästinenser, aber ganz sicher nicht die Berichterstattung. Wo keine Israelis zu Schaden kommen, können wir so etwas auch nicht berichten. Auch nicht Ihnen zuliebe.
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